SPD Waiblingen

HH-Rede 2021 – Roland Wied, Vorsitzender der SPD-Fraktion 19. November 2020

Veröffentlicht am 22.11.2020 in Fraktion

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister Hesky,
sehr geehrte Frau Erste Bürgermeisterin Dürr, sehr geehrter Herr Baubürgermeister Schienmann, sehr geehrter Herr Ozan,
sehr geehrte Damen und Herren,

wäre hätte vor einem Jahr gedacht, dass wir heute einen ganz anderen Blick auf die Welt und somit auch auf die Entwicklung unserer Stadt haben. Erstaunt nimmt man zur Kenntnis, was plötzlich möglich ist oder – notgedrungen – nicht mehr möglich ist.

Der Umgang mit der Corona-Pandemie hat die gesamte Verwaltung – von den untersten Ebenen der Fachbereiche bis zur Verwaltungsspitze – vor unbekannte Herausforderungen gestellt und bei vielen für viel Zusatzarbeit und Stress gesorgt. Ich möchte daher namens der SPD-Fraktion zunächst allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern bei der Stadtverwaltung und im gesamten öffentlichen Bereich für ihren Einsatz danken. Herzlichen Dank, bleiben Sie dran und bleiben sie gesund. Dem bescheidenen finanziellen Ausgleich, den wir neulich beschlossen haben, haben wir gerne zugestimmt und wir sind auch zukünftig bereit, für genügend Personal und vernünftige Arbeitsbedingungen zu sorgen.

Beim Blick auf die finanzielle Situation der Stadt Waiblingen können wir feststellen, dass wir dieses Jahr recht ordentlich dastehen. Einschränkungen im großen Stil, spürbar für die Einwohnerschaft, gab es nicht und waren auch nicht angezeigt.

Das liegt an Einwohnern mit immer noch vielen guten Jobs, das liegt an den vielen Unternehmen, die gut durch die Krise steuern und manchmal sogar davon profitieren. Danke an dieser Stelle für alle bezahlten Steuern, sie sind unverzichtbar für ein funktionierendes Gemeinwesen.

Verschweigen wollen wir auch nicht die Kompensationszahlungen von Bund und Land für die coronabedingten Einnahmerückgänge.

Ob es solche Ausgleichszahlungen auch in Zukunft geben wird, wissen wir nicht. Es ist eher nicht zu vermuten.
Auch die weitere konjunkturelle Entwicklung – speziell auch in unserer Region – kann niemand mit Sicherheit vorhersagen. Auch schon vor Corona und ohne Corona gab und gibt es Anzeichen, dass unser bisheriges Geschäftsmodell fragwürdig geworden ist.

Die Automobilindustrie – das Herzstück unserer Region – steht unter Druck.

Das räumliche Wachstum in unserem Ballungsgebiet stößt an Grenzen.

Der Handel und unsere Innenstädte sind durch Digitalisierung bedroht.

Der Verkehr und unser Mobilitätsverhalten werden zunehmend fragwürdig.

Bildung und Betreuung verlangen nicht nur mehr Investitionen, sondern auch mehr Qualität.

Die Klimaveränderung und die allseits geforderte Beschränkung der Erderwärmung unter die 2-Grad-Grenze führen uns vor Augen: Wir können so nicht weitermachen, wir müssen mehr tun und es werden einschneidende Veränderungen erforderlich sein.

Dies alles betrifft überwiegend die „große“ Politik, erfordert globales Handeln.

Das ist nicht das Spielfeld für den Waiblinger Gemeinderat. Gleichwohl muss sich auch die kommunale Politik daran orientieren.

Ich sage dies, weil wir alle spüren, dass wir uns zunehmend schwerer damit tun, wie wir mit neuen Herausforderungen umgehen sollen. Die Diskussionen werden heftiger und die Abwägungsprozesse werden schwieriger, bei uns in der Fraktion, aber auch im Rat.

Wir spüren dies, wenn es um neue Gewerbegebiete geht, die Schaffung von zusätzlichem Wohnraum, neue Straßenbauprojekte, Parkhäuser, um Verkehrsprobleme ganz allgemein.

Wir wissen, dass sich manches ändern muss. Aber wir wissen auch, dass wir uns in Waiblingen nicht aus unserem auf Wachstum basierenden Wirtschaftsmodell ausklinken können und dass wir die wirtschaftliche Basis – also gute Arbeitsplätze und Gewinne für unsere Unternehmen – erhalten, pflegen und ausbauen müssen – soweit dies in unserer Macht steht.

Der Haushalt 2021 sieht Investitionen auf hohem Niveau vor und es sind viele wichtige Dinge auf den Weg gebracht. Und wir gehen die Dinge mit Augenmaß an, Überflüssiges oder nach derzeitigem Stand Verzichtbares können wir nicht erkennen.

Wenn jemand konkrete Sparvorschläge hat oder meint, wir müssen Ballast abwerfen, dann möge er dies sagen, aber bitte konkret und nicht nur in allgemein vernebelter Form. Darüber kann man dann gerne mit uns reden.

Aber wir dürfen die Augen nicht davor verschließen, dass wir auch auf der Einnahmeseite etwas tun müssen, und zwar an der richtigen Stelle.

Wir sind froh darüber, dass noch niemand auf die Idee gekommen ist, die Kinderbetreuungsgebühren zu erhöhen. Wir hielten es auch für unfair, in diese Richtung zu schielen. Auch die Grundsteuer – wie in Fellbach – wollen wir nicht anfassen.

Wir sind aber nach wie vor der Meinung, dass die Hebesätze bei der Gewerbesteuer kein Tabu sein können. Klar, kennen wir, wissen wir: In guten Zeiten nicht notwendig – läuft ja gut. In schlechten Zeiten nicht zumutbar – läuft ja schlecht. Das überzeugt uns aber nicht, und ich will es auch dieses Jahr wieder ansprechen und begründen:

Ein Hebesatz von 360 Punkten wird dem, was wir unseren Einwohnern und Unternehmen in Waiblingen bieten, nicht gerecht. Wenn Stuttgart bei 420 Punkten liegt, hätten wir kein Problem, wenn alle umliegenden Städte in einer konzertierten Aktion auf 400 Punkte gingen. Schorndorf liegt bei 390 Punkten, Fellbach bei 395, Ludwigsburg liegt bei 385 Punkten. Mit Oppenweiler – 320 Punkte – müssen wir uns nicht vergleichen. Dieser Hebesatz hat auch nicht die Pleite eines großen örtlichen Arbeitgebers verhindert. Oder, um mit unserem Oberbürgermeister zu sprechen:  auch bei einem Hebesatz von 380 Punkten ist Waiblingen wettbewerbsfähig. Wir halten eine Erhöhung um 20 Punkte auf 380 Punkte für zeitgemäß und notwendig. Es geht wohlgemerkt um eine Erhöhung des Hebesatzes um Punkte, nicht um eine Erhöhung der Steuereinnahmen um 20 %!!

Mit der Gewerbesteuer kann man Unternehmen nicht in den Ruin treiben. Wir sollten zur Kenntnis nehmen, dass Personengesellschaften und Einzelkämpfer einen erklecklichen Freibetrag haben. Nur ca. 20 % der Waiblinger Unternehmen zahlen überhaupt Gewerbesteuer, davon ungefähr die Hälfte weniger als 5.000 €. Und: Gewerbesteuer wird nur auf Gewinn fällig. Wer nichts verdient, zahlt auch keine Gewerbesteuer. Außerdem: Eine Erhöhung auf 380 Punkte bleibt bei Personenge-sellschaften wegen anderweitiger Verrechnungsmöglichkeiten ohne finanzielle Auswirkungen (Aussage OB Hesky).

Warum wollen wir auch dieses Jahr wieder darüber reden? Wir wollen Ihnen in erster Linie unsere Prioritäten aufzeigen.

Und: wir wollen das Angebot, das wir in Waiblingen machen, aufrecht erhalten und die Finanzierung sicherstellen. Dieser Tage wurde die Mia Stihl Kita eröffnet. Darüber freuen wir uns sehr. Ich darf bei dieser Gelegenheit aber dran erinnern, dass dieses Invest mit 1,6 Mio € aus städt. Mitteln und Fördermitteln des Bundes bezuschusst wurde. Ähnliche Projekte stehen zur  Umsetzung an.

Wir wollen, dass solche Investitionen und alle die Investitionen, die wir ins Auge gefasst haben, auch tatsächlich durchführen und finanziert werden können. Weiteres Schieben oder gar Streichen muss vermieden werden.

Gerade von den Investitionen profitieren ja auch die Waiblinger Betriebe. Und wir wollen sicherstellen, dass wir für neue Aufgaben, auch solche, die uns das Virus vielleicht noch aufzwingt, genügend Spielräume haben.

Der vorgelegte Haushaltsplanentwurf deckt vieles ab, was auch uns wichtig ist:

Wir investieren ausreichend in unsere Kindertagesstätten und unsere Schulen. Auch beim Thema Digitalisierung sind wir dran; das wird kein Allheilmittel sein, wir brauchen weiterhin ausreichend Räume, Mensen, Sporthallen, Betreuungspersonal usw.

Wir investieren in städt. Wohnraum.

Wir fördern den ÖPNV und verbessern die dazugehörende Infrastruktur .  Wir sind dran, wenn es um neue Mobilitätskonzepte geht.

Wir bemühen uns um zukunftsfähige Umwelt-, Klima- und Energiepolitik.

Wir schaffen gute Bedingungen für Handel und Gewerbe, wir wollen die Innenstadt und die Ortskerne attraktiv halten.

Wir sehen die Stadt insgesamt auf gutem Wege. Wir haben Vieles auf das richtige Gleis gesetzt. Und auch dort, wo wir noch nicht die absoluten Lösungen haben, sehen wir Aufgeschlossenheit und Problembewusstsein.

Das alles spiegelt sich größtenteils auch im Haushalt wieder. Manches könnten wir auch mit mehr Geld nicht lösen oder beschleunigen.

Wir kommen deshalb nur mit einigen wenigen Anträgen. Damit wollen wir in erster Linie deutlich machen, wo wir Schwerpunkte sehen und wo wir unsere Anstrengungen verstärken sollten.

Ich will einige Punkte ansprechen, auch wenn es dabei nicht um aktuelle Haushaltsposten geht:

Sämtliche Ausgaben für einen Nord-Ost-Ring sollten wir aus unseren Überlegungen verbannen. Die Präsentation von Dr. Stihl mit einer 4 – 6 spurigen Bundesstraße – untertunnelt von der Alten B 14 in Waiblingen bis Kornwestheim – hat jedem deutlich vor Augen geführt, dass ein solch monströses Projekt weder finanziell vertretbar, noch ökologisch und verkehrspolitisch sinnvoll ist. Position der Stadt Waiblingen ist das ohnehin nicht. Nachdem Remseck jetzt seine Westrandbrücke will, halte ich das Thema NO-Ring ohnehin für erledigt. Wir müssen jetzt wieder über kleinräumige Lösungen sprechen.

An manchen Stellen in der Stadt äußert sich Unzufriedenheit über zunehmende Verkehrsbelastung. Das fokussiert sich gerade auf die Fronackerstraße. Und das ist vielleicht gar nicht schlecht, weil wir hier im Rahmen der Bürgerbeteiligung diskutieren können, ob wir für eine attraktive Innenstadt wirklich überall Autoverkehr und billiges Parken brauchen. Ob es ausreicht, auf E-Mobilität und autonomes Fahren zu setzen, oder ob ein lebenswertes Wohn- und Geschäftsumfeld auch anders gestaltet werden kann.

Wir wollen das Auto nicht verbannen und nicht abschaffen, wir brauchen das Auto und es ist hilfreich und häufig unverzichtbar. Aber nicht immer und überall. Viel Stress, viel Lärm und Schadstoffbelastung könnte vermieden werden, wenn mehr Alltagsfahrten mit dem Rad erledigt werden würden. Das ist einfacher als Viele denken. Da bedarf es nicht nur baulicher Umsetzungen, dazu bedarf es Überzeugungsarbeit und Anreize. Das E-Bike-Programm der Stadt ist ein gutes Beispiel. Gut, dass es weitergeführt wird, wir begrüßen das ausdrücklich. Der Runde Tisch Radverkehr ist zäh angelaufen. Ok, gut Ding will Weile haben, aber da müssen mehr Ideen entwickelt werden. Beispiel Wohngebiet Krankenausareal: da gibt es bald viele Kinder und Verkehrsteilnehmer. Tiefgaragen sind eingeplant, Kita ist im Bau, Bushaltestelle ist vorhanden. Und was ist mit dem Radverkehr? Warum platziert man dort nicht gleich eine Station für Leihfahrräder? Dort müssten deutlich wahrnehmbare Radwegverbindungen aufgezeigt werden, zumindest zu den Schulzentren, zur Innenstadt und zum Bahnhof. Warum schenken wir nicht jedem Neubewohner zur  Begrüßung eine Jahreskarte für unser Radhaus am Bahnhof?

Wir haben in den letzten Jahren viel für den Stadtteil WN-Süd getan und tun es immer noch. Nicht alle sind zufrieden, auch wir hätten manches anders gemacht. Insgesamt ziehe ich ein positives Resümee. Aber jetzt wollen wir uns um die Korber Höhe kümmern: Die Installierung des Forum Nord im Mikrozentrum muss Chefsache sein. Die Jugendfarm muss im Stadtteil verankert werden.

Ich hatte schon erwähnt, dass wir den Bestand an städtischem Wohnraum kontinuierlich erhöhen wollen. Wir wollen Spekulation und ständigen Preissteigerungen entgegenwirken, wo immer möglich selbst bauen. Was sich für Private rechnet, rechnet sich auch für die Stadt und schafft Werte, die notfalls auch eingesetzt werden können.

Auch müssen wir über eine aktivere Grundstückspolitik nachdenken, gerade wenn es darum geht, die Innenstadt attraktiv zu halten und negativen Tendenzen entgegenzuwirken.

In Kitas und Schulen und deren Ausstattungen müssen wir weiterhin investieren. Möglicherweise wird uns Corona noch zusätzliche Investitionen in größere Räume, Hallen und Hygienemaßnahmen abverlangen. Darauf sollten wir uns vorbereiten.

Auch die Energiewende muss uns verstärkt beschäftigen. Klimaneutralität wird ohne Energie aus Sonne und Wind nicht gehen. Ein Kundiger hat neulich gesagt: „Wenn wir das nicht mit Volldampf angehen, ist auch das Zwei-Grad-Ziel final verloren“. Was das für unsere Enkel heißt, sollte jedem klar sein. Auch darauf müssen wir lokal etwas zu sagen haben. Vor Funkfeuern, Juchtenkäfern und Milanen dürfen wir nicht kapitulieren.

Dabei will ich es belassen. Das sind ja auch Themen, die in den Stadtentwicklungsplan und die Ortsentwicklungspläne gehören. Es ist bedauerlich, dass wir den STEP Corona bedingt nicht zeitnah überarbeiten können. Auch wenn wir erst 2022 weitermachen, können wir die Zeit in 2021 nutzen, um grundsätzliche und vorbereitende Diskussionen zu führen.

Corona wird uns leider nicht so schnell loslassen. Wir sind alle aufgerufen, die gebotenen Vorsichtsmaßnahmen ernst zu nehmen. Man kann sich über Vieles beklagen, aber man kann sich auch an die Schicksale und Erlebnisse der Generationen vor uns erinnern, die sich in ihrer Jugend mit ganz anderen Einschränkungen und Schrecknissen konfrontiert sahen – und keinen Impfstoff als Lichtblick am Horizont erkennen konnten.

Ich möchte von hier aus dazu aufrufen, allen Verschwörungstheoretikern und populistischen Rattenfängern entgegenzutreten. Nicht nur wegen Corona. Wir haben genügend Probleme zu lösen. Das geht nur mit gutem Willen und Zusammenarbeit. In eine Situation wie in den USA dürfen wir uns nicht hineinmanövrieren.

Herzlichen Dank.

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