SPD Waiblingen

Podiumsdiskussion zum Thema Demenz gut besucht

Veröffentlicht am 06.10.2015 in Pressemitteilungen

„Niemand kann sagen, wie sich Menschen mit einer Demenz-Erkrankung entwickeln. Es gibt keine Behandlung, die für alle Betroffene die Richtige ist. Und es gibt auch keine Einrichtung, die für alle die Richtige ist. Darum sehe ich als Aufgabe meiner Politik, möglichst viele Angebote zu ermöglichen und den Menschen keine Steine in den Weg zu legen.“ Das war das Fazit von Landessozialministerin Katrin Altpeter bei der Podiumsdiskussion „Demenz – ein gemeinsamer Weg?!“ der Waiblinger SPD am 30. September 2015 im Bürgerzentrum. Dazu hat der Landtag das Wohn-,Teilhabe- und Pflegegesetz verabschiedet, in dem zwischen der rein stationären und der rein häuslichen Pflege auch alle Formen dazwischen geregelt und finanziert werden. Nun sind zum Beispiel auch Wohngemeinschaften von Senioren geregelt. Auch wenn Menschen dort dement werden, bleibt es ein privater Rahmen, dem von der Heimaufsicht nicht hineingeredet wird. Dennoch gibt es auch dann Regeln, weil Erfahrungen in anderen Bundesländern gezeigt haben, dass zum Beispiel Betrüger ältere Menschen in Wohngemeinschaften finanziell ausnehmen, wenn es keine Regeln und keine Kontrolle gibt.

Die Ministerin illustrierte die verschiedenen möglichen Krankheitsverläufe mit drei bedenkeswerten Lebensgeschichten, von denen sie erfahren hat. Die erste Geschichte: Eine persönliche Freundin hatte Eltern, die schon recht alt waren. Sie waren ein wenig vergesslich, schienen aber gesund zu sein. Die Eltern äußerten den Wunsch, in ein Heim zu gehen, aber die Tochter sah dafür keinen Grund. Noch bevor sie mit ihren Eltern darüber reden konnte, nahm sich der Vater – für die Tochter völlig unvermittelt – das Leben. Nun erst erfuhr die Frau, dass ihre Mutter schon lange schwer dement war, aber ihr Vater das geheim gehalten, und niemandem anvertraut hatte, dass er mit der Pflege überfordert war. Zweite Geschichte: Das Landessozialministerium ist auch für den Maßregelvollzug zuständig. Dort werden psychisch kranke Straftäter behandelt. Als neue Ministerin machte sie dort ein Praktikum, um zu sehen, wie es dort überhaupt zugeht. Dort gibt es einen Krisenraum für Menschen in akuten psychischen Zuständen. In diesem Raum war ein Mann mit Demenz, der einen Mitbewohner fast erwürgt hatte. Er tobte in dem Raum, riss sich die Kleidung vom Leib und konnte von niemandem beruhigt werden. Dritte Geschichte: Ein Mann erzählte Katrin Altpeter, dass seine Frau immer betont hatte, dass sie von ihm niemals gepflegt werden wolle und ihm nicht zur Last fallen wolle. Diese Frau entwickelte zu ihrer Demenz einen Hirntumor. Durch den Tumor wurde die Frau heiter und gelassen. Sie konnte das Leben fast genießen und ihr Mann pflegte sie bis zum Lebensende. Das Fazit: niemand kann wissen, wie sich andere Menschen oder wie man sich selber entwickelt. Und darum kann und darf die Politik hier keine Rezepte vorschreiben.

Wie schnell Demenz das Leben verändern kann, erzählte Agnes Gabriel. Sie ist Mitglied im Vorstand der Waiblinger SPD und saß als Angehörige auf dem Podium. Seit 2013 wurde ihr Mutter immer vergesslicher. Während sie sich nichts dabei dachte, war ihr Vater gleich alarmiert. Tragischer Weise wurde ihr Vater kurz danach schwer krank und starb Ende 2013. Ihre Mutter begriff schon nicht mehr, dass ihr Mann krank geworden und gestorben war. Sie hatte Alzheimer und den dafür typischen Bewegungsdrang. Immer wieder gelang es ihr, das Haus zu verlassen, doch jemand aus der Nachbarschaft hatte es immer gesehen und sie zurück gebracht. Der Familie blieb nicht anderes übrig, als einen Heimplatz zu suchen. Sie hatten Glück und fanden eine Einrichtung, in der die Mutter gut betreut wurde. Sie konnte nun ihre Krankheit ausleben und versuchte nicht ein einziges Mal, das Haus zu verlassen. Anfang 2015 starb ihre Mutter. Seitdem engagiert sich Agnes Gabriel Ehrenamtlich bei der Betreuung von Menschen mit Demenz und leitet Gesprächskreise in einem Seniorenzentrum. Sie sprach sich dafür aus, den Angehörigen den Besuch im Pflegeheim zu erleichtern. Für viele Betroffene ist so ein Besuch mit unangenehmen Gefühlen verbunden, die durch ausführliche Informationen abgebaut werden können. Ein guter Austausch zwischen Bewohnern, Angehörigen, Pflegenden und Ehrenamtlichen sei nach ihrer Meinung die wichtigste Basis für eine gute Pflege. Angehörige und Ehrenamtliche seien das Tor nach außen und dieses Tor müsse weit offen sein.

Michael Barkow stellte das Konzept der Senioreneinrichtungen der BeneVit-Gruppe vor. Er vertrat Kaspar Pfister, den Geschäftsführer und Gründer des Unternehmens, der kurzfristig erkrankt war. Herr Pfister gründete das Unternehmen 2004, nachdem er bisherige Einrichtungen als unbefriedigend erlebt hatte. Sein Ziel war es, in den Häusern keine Krankenhausatmosphäre zuzulassen. Alles soll aussehen, wie in Privatwohnungen. So gibt es keine Pflegezimmer und keine Lichtanlagen an den Zimmertüren. Alles ist mit Teppichboden ausgelegt, die eben gründlich gereinigt werden. Es gibt keine Technikräume, die Senioren machen sowohl das Essen als auch die Wäsche in ihrer Wohnung. Einiges musste bei der Heimaufsicht auch erst durchgesetzt werden, so dass es keine Handläufe gibt, dass die Senioren mit scharfen Messern in der Küche arbeiten oder den offenen Kamin in jeder Wohnung. Da alle Mitarbeiter in den Wohnungen arbeiten und es keine reinen Arbeitsplätze in der Technik gibt, seien die Kosten nicht höher, als in vergleichbaren Einrichtungen. Das Unternehmen besitzt bundesweit 23 Einrichtungen, die nächste davon in Remseck.

Peter Schrade, der stellvertretende Vorsitzende der Waiblinger SPD begrüßte die Gäste in Vertretung des verhinderten Vorsitzenden. Der Vorsitzende des SPD-Kreisverbands Rems-Murr, Jürgen Hestler, zählte in seinem Grußwort das Thema Demenz zu den Tabuthemen in unserer Gesellschaft. Persönlich betroffen habe ihn die Erkrankung von Walter Jens, den er als Student in Tübingen erlebt habe und der für ihn stets der Idealtyp eines Gelehrten und eines Philosophen gewesen sei. Besonders berührt hab ihn im Buch seiner Frau über die Krankheit die Passage, in der die Familie über Sterbehilfe nachdenkt, weil Jens in einem hellen Moment äußert, dass sein Leben nicht mehr lebenswert sei – und wie sie dann ihre Meinung ändert, als er angesichts eines Stückes Schokolade das Leben wieder lebenswert findet.

Die Diskussion leitete Stefan Simpfendörfer, der Qualitätsbeauftrage Pflege in den Rems-Murr-Kliniken. Er stellte zu Beginn fest, dass vor einigen Jahren zu diesem Thema der Saal noch nicht so voll gewesen wäre, dass dies beim Thema Demenz zur Zeit aber fast die Regel sei. Zwei Drittel der Erkrankten werden zu Haus gepflegt, und immer mehr Angehörige fühlten sich überfordert. Die Politik habe in den vergangenen Jahren einige Betreuungsangebote geschaffen und grundsätzlich den richtigen Weg eingeschlagen. Dennoch bleibe viel zu tun, denn einigen Prognosen zufolge, könne sich die Anzahl der Betroffen bis 2050 mehr als verdreifachen.

Die Diskussionsbeiträge reichten von speziellen Fragen zu persönlichen Situationen bis zu politischen Statements. Auch nach medizinischen Hintergründen oder Fachwörtern fragten verschiede Gäste. Einige Besucher berichteten von positiven Erfahrungen mit Heimen oder ambulanten Angeboten, andere von durchweg negativen. Sabine Raetzel wollte wissen, ob Baden-Württemberg mit dem neuen Gesetz eine Vorreiterrolle unter den Bundesländern einnimmt, oder eher nachgezogen habe. Katrin Altpeter meinte, das Land habe mit dem Gesetz nachgezogen, die alte Regierung habe hier einiges versäumt. Der Vorteil sei gewesen, dass man die Erfahrungen der anderen Länder gleich berücksichtigen konnte. Helmut Fischer erinnerte an ein anderes Problem mit älter werdenden Angehörigen: Die schwierige Frage, wann man sie bitten muss, den Führerschein abzugeben. Am Ende kündigte die Ministerin an, dass die Ausstellung zu Thema Demenz, die zur Zeit in Stuttgart zu sehen ist, auch bald in Waiblingen Station machen wird.

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