SPD Waiblingen

Berta Kahn – Waiblingerin –Jüdin – Unvergessen; In Erinnerung an die Novemberpogrome von 1938

Veröffentlicht am 09.11.2022 in Aktuelles

Bild: Stolperstein putzen am 09.11.22

Fast 60.000 Stolpersteine hat der Berliner Künstler Gunter Demnig in ganz Europa verlegt, einen davon in Waiblingen: In der Ludwigsburger Straße 45 erinnert er an das Schicksal von Berta Kahn. Die 1880 geborene Berta lebte seit 1905 in Waiblingen, als sie am 20. November 1941 per Einschreiben einem Evakuierungstransport nach Osten zugeteilt wurde. Mit diesem Transport verschleppte das NS-Regime Berta Kahn nach Lettland, wo sie ermordet wurde.

Die „Stolpersteine“ mahnen uns, deutsche Geschichte nicht zu vergessen. Wir wollen den Stolperstein sichtbar halten, um immer wieder bewusst darüber zu stolpern. Anlässlich des Gedenktags vom 9.November haben wir ihn darum blank geputzt: 

In der sogenannten Pogromnacht vom 09. auf den 10. November 1938 kam es zu einem entsetzlichen Tiefpunkt deutscher Geschichte. Überall im deutschen Reichsgebiet wurden Synagogen, Geschäfte, Wohnungen, Versammlungsräume jüdischer Menschen und jüdische Friedhöfe gestürmt und zerstört. Mehrere hunderte jüdische Menschen wurden ermordet, weitere hunderte nahmen sich das Leben. Der Anfang einer schier unfassbaren Zahl von schließlich sechs Millionen Juden, die von den Nationalsozialisten ermordet wurden.

Der Waiblinger Stolperstein soll uns nicht nur erinnern. Er macht auch deutlich, dass Geschichte immer mitten unter uns stattfindet und wir Verantwortung dafür tragen.

SPD Waiblingen

 

Treffen von Vertretern der SPD-Waiblingen in Waiblingen, Ludwigsburger Straße 45, am 9. November 2022.

Da sind anfangs des 20. Jahrhunderts zwei Brüder nach Waiblingen gekommen.

Adolf Kahn mit seiner Frau Rosa, sie hatten 4 Kinder: Bella, Irma, Alfred und Hilde. Die Ehefrau ist 1933 gestorben, der Vater ist mit seinen Kindern 1937 vorausschauenderweise nach Amerika ausgewandert.

Sein Bruder Ludwig Kahn, ein geschätzter Viehhändler, und seine Frau Berta Kahn geb. Strauss, hatten 1908 einen Sohn bekommen. Der Sohn Beno war Mitglied im Waiblinger Turnverein. Er ist 1936 emigriert. Warum die Eltern geblieben sind, ist nicht so ganz klar.

Gleich nach der Machtübernahme durch die Nazis 1933 hat staatlicherseits eine maßlose Hetze gegen Juden begonnen. Bis dahin waren sie normale Mitbürger, Nachbarn, Arbeitskollegen, plötzlich offiziell minderwertig, Volksfeinde, Schädlinge. Der Staat – nicht nur verwirrte Bürger – hat offiziell die Parole ausgegeben „Die Juden sind unser Unglück“.

Bereits 1933 wird von einem Fackelzug von SA und SS durch Waiblingen berichtet. Es ging vor die Wohnung eines jüdischen Ehepaares. Der Ruf „Juden raus“ hallte durch Waiblingen. Das war Anfang 1933.

1938 wurde verfügt, dass Juden keinen Zutritt zum Waiblinger Wochenmarkt hatten. Jüdische Händler wurden rausgedrängt.

1938 mussten sie ihren Vornamen – Ludwig und Berta waren ja keine erkennbar jüdischen Namen – „Israel“ und „Sara“ hinzufügen.

Führen von Kraftfahrzeugen war verboten.

Ludwig Kahn ist 1939 an Herzversagen verstorben, begraben in Cannstatt.

Ab 1941 muss Berta Kahn einen Judenstern tragen. Sie wohnt jetzt hier, in der Ludwigsburger Straße 45.

Verlassen der Stadt muss genehmigt werden, ebenso das Benutzen von Verkehrsmitteln. Aus einer Liste, die im Waiblinger Rathaus geführt wurde, ergibt sich, dass ihr die Erlaubnis erteilt wurde zu Fahrten nach Stuttgart, einmal zum Besuch eines Auswandererkurses, einmal zum Kauf von Schuheinlagen. Juden durften Sitzplätze nur einnehmen, wenn sie nicht für andere Reisende benötigt wurden.

Am 20. November 1941 erhält Berta Kahn ein Einschreiben, wonach sie auf Anordnung der Gestapo zu einem Evakuierungstransport nach Osten eingeteilt ist.

Es ist genau vorgeschrieben, was sie mitnehmen darf und was nicht. Kein Geld, kein Schmuck, keine Wertsachen. Hausrat wird über das Finanzamt eingezogen.

Sie wird auf ein Sammellager auf dem Killesberg gebracht, alles sauber überwacht und dokumentiert.

Deportation erfolgte per vollgestopftem Zug nach Riga in Lettland. Dort wurde sie wahrscheinlich – genaues weiß man nicht – in einem Wald bei Riga mit vielen anderen mit Maschinengewehren niedergemäht.

Vom Amtsgericht Waiblingen wurde sie auf den 8. Mai 1945 (Kriegsende) für tot erklärt.

Ihr Sohn Bruno hat als US-Soldat gegen Nazi-Deutschland gekämpft und nach dem Krieg versucht, das Schicksal seiner Mutter zu klären. Er hat aber auch nicht mehr herausgefunden.

Aber er hat Entschädigung beantragt. Die gab es auch: 197 DM für eingezogene Wertsachen, 6.000 DM für Hausrat und mitgenommene Sache. Und für den Schaden an Freiheit, den Berta Kahn erlitten hat, 900 DM!!

Wir müssen uns an solche Lebensläufe erinnern. Damit wir uns immer wieder die Frage stellen, wie es zu solchen gesellschaftlichen und menschlichen Katastrophen kommen kann.

Wir wissen heute viel über die Opfer. Ich frage mich immer, warum sich diejenigen nicht äußern, die „Juden raus“ gebrüllt haben, die ihre jüdischen Nachbarn bespuckt haben, die jüdisches Eigentum gestohlen und jüdische Wohnungen geplündert haben, die die Hetze weitergetragen haben, die auf den Rathäusern und Finanzämtern diese niederträchtigen Anordnungen in bürokratischer Korrektheit ausgeführt haben, die mitansahen, wie Nachbarn aus ihren Wohnungen geholt, in Viehwagons gesteckt und gen „Osten“ umgesiedelt wurden.

Es ist gut, dass es diese Stolpersteine gibt. Wir sollten sie pflegen, sie gelegentlich besuchen und innehalten. Sie machen Geschichte jenseits der großen Töne und Sprüche fühlbar und sie mahnen uns an unsere Verantwortung in der Gesellschaft.

Quelle: Juden in Fellbach und Waiblingen 1930 – 1952. Herausgegeben von der Stadt Waiblingen und der Stadt Fellbach

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