SPD Waiblingen

Professor Frank Brettschneider über Verschwörungstheorien

Veröffentlicht am 28.06.2021 in Ortsverein

Über Verschwörungsmythen, Populismus und Fake-News sprach Professor Dr. Frank Brettschneider bei einem Online-Vortrag des Waiblinger SPD-Ortsvereins Waiblingen am Dienstag, 22. Juni 2021. Prof. Dr. Brettschneider ist Kommunikationswissenschaftler an der Universität Hohenheim. Der Ortsvereisvorstand hatte beschlossen, zu seinem Vortrag nicht öffentlich einzuladen. Sonst besteht die Gefahr, dass Verschwörungstheoretiker die Veranstaltung sprengen. Der Waiblinger Ortschaftsrat, Stadtrat und Kandidat für die Bundestagswahl, Urs Abelein, moderierte das Gespräch.

Professor Brettschneider schilderte, dass es schon immer Verschwörungstheorien gegeben hat. Ihre Anhänger gehen davon aus, dass "Nichts ist, wie es scheint", "Nichts passiert zufällig" und "Alles hängt mit allem zusammen". Solche Meinungen sind nicht selbst unvernünftig. Denn natürlich hat es auch immer einzelne Verschwörungen gegeben. Die Anhänger der Verschwörungstheorien denken aber, dass hinter allem, oder zumindest hinter der großen Politik, Verschwörungen stecken, hinter denen verborgene Mächte vermutet werden. Und dass nur die Anhänger der jeweiligen Theorie in der Lage sind, die Menschheit davor zu retten. Die Corona-Pandemie hat die Zahl der Verschwörungstheorien stark steigen lassen. Es hat solche Theorien aber schon die ganze Menschheitsgeschichte durch gegeben. Oft stecken rechtsradikale und antisemitische Ansichten hinter Verschwörungstheorien. Dann wird eine "jüdische Weltverschwörung" oder "die Ausländer" als Drahtzieher vermutet.

Verschwörungstheorien arbeiten oft mit Tabubrüchen, Provokationen und Fake News. Eine bekannte Provokation war die Bezeichnung der NS-Diktatur als "Vogelschiss" durch den AfD-Vorsitzenden Gauland. Wenn solche Äußerungen auf den erhofften Protest stoßen wird wieder zurück gerudert. Auch Äußerungen mit negativer Konnotation sind typisch. Bei "Flüchtlingsflut" sollen die Zuhörer an brechende Deiche und unbeherrschbare Massen denken. Zu den Falschinformationen, die auch die AfD weiter verbreitet hatte, war die Geschichte des Mädchens Lisa. Das Mädchen aus einer russlanddeutschen Familie war angeblich entführt und vergewaltigt worden. Die Geschichte stellte sich als falsch heraus. Dennoch sorgte sie für große Unruhe in russlanddeutschen Familien und zu einer Anfrage des russischen Außenministeriums.

Man kann nicht verhindern, dass solche Falschinformationen entstehen, betonte Professor Brettschneider, man kann sie nur im Nachhinein richtig stellen. Besonders habe ihm eine Reaktion des Berliner Tagesspiegel auf Gaulands "Vogelschiss" gefallen. Die Zeitung hat eine Ausgabe herausgebracht, in der auf dem Titel nur Bilder von Nazigreuel gewesen waren. Auch der "Faktenfinder" der Tagesschau ist sehr gut gemacht.

Die Verschwörungstheorien um die Corona-Pandemie haben gezeigt, wie wichtig allgemein verständliche Informationen sind. Vielen Wissenschaftlern ist es gelungen, die komplizierten Zusammenhänge einfach dar zu stellen. Darum müssen die klassischen Medien erhalten bleiben - Zeitungen wie öffentlich-rechtliche Sender. Schon immer haben sich die Menschen lieber dort informiert, wo sie ihre Meinung bestätigt finden. Das ist nur natürlich. In den sozialen Medien sorgen die Algorithmen dafür, dass die Nutzer erst gar keine Informationen bekommen, als die, die sie ausgewählt haben. Dadurch entstehen Blasen, die nur noch um sich selbst kreisen.

Urs Abelein wollte wissen, wie Prof. Brettschneider die "Intiative Neue Soziale Marktwirtschaft" einschätzt. Der bestätigte, dass er die Initiative auf dem Weg zum Populistimus sehe. Gegner würden zunehmend verächtlich gemacht und andere Meinungen weniger akzeptiert.

Soll man auf Kommentare in den sozialen Medien reagieren, fragte Jula Hutzmann. Inzwischen stehen hinter vielen Kommentaren gar keine Personen mehr, erklärte der Professor, sondern sogenannte Social Bots, das sind Programme, die bei bestimmten Themen automatisch mit vorgefertigten Sätzen reagieren. Darum ist Ignorieren besser - außer man hat das Gefühl, das ein richtiger Mensch Sorgen hat.

Peter Schrade meinte, dass man die AfD eigentlich tot schweigen müsse, auch wenn es sehr schwer falle. Professor Brettschneider stimmte zu und sagte, dass er beobachte, dass die Provokationen der Partei auf immer weniger Resonanz treffen. Öffentlichkeit und Medien haben sich offensichtlich darauf eingestellt.

Christel Unger sagte, dass sie nicht mehr auf Posts zu Corona reagiere. Sie kenne viele Ärzte und Pfleger, die mit Covid-Kranken zu tun gehabt hätten. Professor Brettschneider stimmte zu, dass persönliche Erlebnisse in so einer Situation am nachdrücklichsten sind. Es gab einige Reportagen mit dieser Perspektive. Es hätten aber auch noch mehr sein können.

Ein Teilnehmer kritisierte die Berichterstattung der Öffentlichen-Rechtlichen Sendern zu russischen Manövern nahe der Ukraine. Es sei der Eindruck erweckt worden, dass ein Militärschlag unmittelbar bevor steht. Die russischen Manöver seien durchweg negativ, die der NATO durchweg positiv dargestellt wurde. Schließlich sei gar nichts passiert. Professor Brettschneider räumte ein, dass natürlich auch Beiträge der Öffentlichen-Rechtlichen Sender einseitig oder falsch sein können. Aber dann kann man das auch offen kritisieren.

Herr Spahn habe zu Beginn der Pandemie einen langen Lockdown ausgeschlossen, kritisierte  ein weiterer Teilnehmer. Das entsprach dem damaligen Stand der Wissenschaft erinnerte Professor Brettschneider. Die vorigen Epidemien mit Corona-Viren hatten ungefähr drei Monate gedauert.

Ein Teilnehmer zeigte sich pessimistisch, ob sich die Menschen tatsächlich von Fakten leiten lassen. Sobald sie Angst bekommen, würden sie irrational handeln, wie oft in der Geschichte zu sehen. Professor Brettschneider zeigte sich optimistischer. Nicht nur in der Pandemie, sondern auch beim Klimawandel habe er den Eindruck, dass die Mehrheit der Menschen überraschend rational handeln.

Ein weiterer Teilnehmer bezweifelte, dass beim Thema Covid alle Positionen veröffentlicht würden. Professor Brettschneider meinte, dass gerade bei diesem Thema auch unangenehme Positionen veröffentlicht würden. Gerade in den zurück liegenden Wochen wurde breit besprochen, ob Krankenhäuser vielleicht ungerechtfertigt leere Intensivbetten gemeldet hätten.

Chrsitina Dworacek-Hutzmann zeigte sich besorgt, dass die Hemmschwelle für Beleidigungen immer weiter sinkt. Man hätte schon früh den Anfängen wehren müssen. Professor Brettschneider erinnerte daran, dass es bei den Flüchtlingen ein ähnliches Versäumnis gegeben habe. In Wahlsendungen sei es oft nur noch um Flüchtlinge gegangen. Natürlich habe man das Thema ansprechen müssen, aber es habe auch andere Themen gegeben.

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